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letzter Beitrag vom 8.1.2010
auch eine deutsche Stadt
In den achtziger Jahren, den Tagen meiner wißbegierigen Studentenzeit,
trug sich im thüringischen Weimar die folgende kleine Geschichte zu:
Wie unser Rektor stets von uns forderte, so war auch ich den ganzen Tag
Student, also 24 Stunden pro Erddrehung auf der Suche nach der sozialistischen Künstlerpersönlichkeit oder dem Sinn des
Lebens. Allerdings verbrachte ich einen beachtlichen Teil meiner Zeit in
Studentenclubs und auf Partys, was seiner Magnifizenz sicher nicht so
richtig schmeckte, mir aber der auf der Suche nach dem zu erfragenden
Sinn sehr hilfreich erschien.
Während einer dieser abendlichen Zusammenkünfte bemerkte ich zwei
Menschen, die sich recht deutlich, ohne mit Gesten sparsam umzugehen, in
englischer Sprache unterhielten.
Die Pflege von Fremdsprachen wurde, wie nicht mehr Alle wissen, in der
verblichenen DDR etwas stiefmütterlich behandelt. Dem Russischen wurde
man trotz großer staatlicher Bemühungen nicht mächtig und der sparsame
Englischunterricht ließ für die Meisten nur eine holperige Konversation
zu.
Ich lauschte also den beiden bereits erwähnten Menschen, wobei mir der
junge Mann näher bekannt war. Das vortrefflich gekleidete Mädchen sah
ich jedoch zum ersten mal.
Ich bekam vom Gespräch nicht sehr viel mit, zu schnell wechselten sich
die Vokabeln ab. Ich wußte auch nicht, ob ich die Beiden um ihre
Sprachkenntnisse beneiden sollte, oder ob ich vielleicht sogar einem
hochstapelnden Scherz erliege. Es war tatsächlich das erste mal in
meinem Leben, daß ich Zeuge eines Gesprächs in englischer Sprache von dieser
enormen Dauer wurde.
Ich konzentrierte mich sehr, um doch einen Sinn aus den Sätzen zu
erahnen, doch lediglich zwei Buchstaben, sicher die Initialien einer
sehr wichtigen Angelegenheit, Person oder Sache, die immer wieder hoch
gelobt wurde, konnte ich als Gesprächsthema ausmachen. "LA" oder wie ich
es zum damaligen Zeitpunkt in deutsch ausgesprochen hätte "LE".
Während bei meinen Überlegungen das Getränk in meiner Hand fast die Zimmertemperatur erreichte,
stoppte das Gespräch der Beiden abrupt. Das elegant gekleidete Mädchen
verließ demonstrativ beleidigt den Raum und meinem Bekannten, der wie
angewurzelt stehenblieb, schoß die Schamröte ins Gesicht.
Was war vorgefallen? Aus Taktgründen ließ ich noch einen Moment
verstreichen, holte ein frisch gezapftes Bier und überreichte es, um
meine Neugierde zu vertuschen, möglichst unmotiviert dem noch immer
erstarrten jungen Mann, der daraufhin auch gleich und ungefragt begann,
sich bei mir auszusprechen.
"Kein Wunder," sagte er "Ich spreche einfach zu schlecht Englisch. Ich habe bestimmt eine halbe Stunde mit einer tollen Frau auf Englisch gesprochen. Wir schwärmten für eine Stadt, erzählten, was man dort alles erleben kann, wie toll die Clubs sind und was an den Theatern so läuft."
"Ja, und, warum ist die schöne Frau denn so schnell verschwunden?"
setzte ich verwundert nach.
"Stell dir vor, sie ist eine echte Amerikanerin und meinte die ganze Zeit "LA". Verstehst du, sie sprach von Los Angeles. Ich dachte doch, es geht ihr um Leipzig. Schließlich trägt der Flughafen doch das Kürzel "LE"."
"Wahnsinn, eine echte Amerikanerin, hier bei uns. Das kann doch nun wirklich keiner ahnen."
"Als sich der Irrtum aufklärte, da ging sie. Was für ein fatales Mißverständnis"
"Vielleicht ist Leipzig aber auch eine Stadt, die man mit Los Angeles gut vergleichen kann?"
11.12.2001