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letzter Beitrag vom 8.1.2010
es heißt wehr dich

Im Wehrdienstausweis der Nationalen Volksarmee steckte hinten drin die sogenannte Hundemarke. In der Mitte der Marke sieht man die länglichen Ausstanzungen, die das Zerteilen des feuerfesten Datenträgers in zwei Teile erleichtern sollte. Jede Seite hat wiederum zwei runde Löcher, die im Bedarfsfall ein Fädelband aufnehmen können. Eine halbe Marke bekommt der Leichnahm um den Hals oder an den großen Zeh gebunden (je nach dem, was noch vorhanden ist), und die andere Hälfte geht per Feldpost an die Hinterbliebenen oder die Partei (ich weiß es nicht mehr so genau). Der Tod ist bei jeder Armee und ganz besonders im Krieg fest eingeplant. Deswegen habe ich auf dem Foto (als Berliner) mit der Hundemarke die unwichtigen Buchstaben auf dem Ausweis abgedeckt.

Auf nach Kabul!

Wann habe ich diesen Spruch zum ersten mal gehört?
Als ich zwischen dem Herbst 1978 und dem Frühjahr 1980 meinen Wehrdienst bei der DDR-Armee zu überstehen versuchte, brauchte ich mich nicht jeden Tag zu rasieren. So jung und formbar war ich, wie es sich die Partei nur wünschen konnte. Dennoch verstand ich die Sprüche der Reservisten, die alle drei Monate für ein viertel Jahr in kleinen Gruppen zu uns stießen.
Wenn so ein Trupp, für so lange Zeit aus dem Arbeitsleben gerissen und von den Familien getrennt, die Kaserne betrat, dann war schon etwas los. Die alten Herren wußten genau, was sie erwartet und marschierten oft sternhagelblau und mit grausigen Gesängen bei uns ein. An das eine mal kann ich mich noch ganz genau erinnern. Es war nach dem Einmarsch der Sowjetarmee in Afghanistan. Die Ankömmlinge grölten laut: "Auf nach Kabul!"
Wir Grundwehrdienstler waren uns jedoch im Klaren daüber, wie wir das Benehmen zu werten hatten. Dieser Kriegsruf war ein verzweifelte Schrei, der genau das Gegenteil seines Sinns wiedergab. Es hörte sich eher an, wie: "Ich will nach Hause!"
In der DDR war Protest eben fast immer verschlüsselt.
Jetzt geht es wohl wirklich nach Kabul und ich bin froh, daß die Armee, auf die ich einen Eid geschworen habe, nicht mehr existiert. Diesen Eid werde ich nie brechen.

7.11.2001
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