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letzter Beitrag vom 8.1.2010

Schönebeck an der Elbe

ich weiß nicht Um mir mein Arbeitslosendasein etwas zu versüßen, nehme ich jede Gelegenheit für eine Aushilfstätigkeit wahr. So wurde ich in der vergangenen Woche vom Schönebecker Kammerorchester für zwei Konzerte angefordert. Wo liegt Schönebeck? Bis zu meinem ersten Eintreffen in der anhaltinischen Kreisstadt hatte ich nicht die geringste Ahnung von der Existenz des Elbeortes, der sich immerhin ein Orchester leisten kann. Dieses benötigt zu meinem Glück für größere Instrumentalwerke zusätzliches Personal, wie in diesem Fall mich.
Die Musiker entstammen den verschiedensten Nationen, allein in der Horngruppe, zu der ich mich für einige Tage zugehörig fühlte, traf ich auf einen Amerikaner einen Iren und einen Polen. Natürlich sprachen wir Demokraten englisch miteinander, ein Umstand, der mich beinahe in die Lage versetzte, die Aushilfstätigkeit als Sprachkurs vom Arbeitsamt zusätzlich bezahlen zu lassen.
Das kleine Schönebecker Orchester spielt nicht schlecht, vielleicht unter schlechten Bedingungen, in einem zu kleinen Probenraum, gegen zu kleine Gehälter, doch der Klang hat mir gefallen. Die Schönebecker spielen auch nicht wenig Konzerte. Sie arbeiten viel und sitzen lange im Bus, denn zusätzliche Gelder müssen eingespielt werden, um das Orchester zu erhalten.
So fand auch ich mich am Treffpunkt ein, um den Bus zu besteigen, der zum Konzert nach Braunschweig fuhr. Ich nahm neben einem Oboisten aus Japan Platz, der sich lange mit dem Kollegen vor mir austauschte. Während der regen Unterhaltung überprüfte ich meine Kleider, ob ich auch die richtige Fliege und den Kummerbund dabei habe und fand zufällig in meinem Frack einen Zettel. Dieser stammte aus der Zeit, in der ich fest angestellt war. In jenen Tagen hatten wir gelegentlich eine japanische Aushilfe in unserem Orchester zu Gast. Hin und wieder notierte ich einige Vokabeln der fernen Sprache, was als kommunikationsförderndes Spiel gedacht war und leider nicht das Erlernen zum Ziel hatte.
So einen alten zerknüllten Zettel hielt ich erfreut in den Händen und las ganz spontan laut vor:"shiri massenn".
Mein Nachbar erging sich in einem schallenden Gelächter. Ich hatte keine Ahnung, welche unglaubliche Geschichte ich mit meinem "ich weiß nicht" kommentierte oder sogar entkräftete, doch mein Einwurf war ein Erfolg. Vielleicht aber auch nur, weil ein Japaner von einem Deutschen nicht diese Worte erwartet.
Das Konzert fand im Saal des alten Rathauses statt, den ich ohne die Schönebecker sicher nie im Leben betreten hätte.
Auch auf der Rückfahrt ging es im Bus sehr lustig zu. Getränke und Anekdoten wurden ausgetauscht. Als wir der Stadt Schönebeck näher kamen und die Ersten das ersehnte Autobahnschild lesen konnten, war die Freude groß. Ich hörte verschiedene Rufe wie: "Heimat" und zu meinem gößten Erstaunen aus dem Mund meines japanischen Nachbarn: "Rodina", was das gleiche auf russisch bedeutet. Ich war ähnlich überwältigt, wie er nach meinem Einwurf auf der Hinfahrt. Auf meine Frage nach der Herkunft seiner Russischkenntnisse antwortete er: "In Tokyo gibt es ein Restaurant, das heißt "Rodina".". So einfach sind Sprachen.

18.6.2001
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