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letzter Beitrag vom 8.1.2010

Vögel


Die Hausrotschwänze suchen auch in diesem Jahr meine Nähe und Nisten, wie es ihr Name schon sagt im Haus. Mit Fleiß und Energie finden sie immer ein vermeintlich ruhiges Plätzchen im Brunnenhaus, dem Nebengebäude des Turmes. Im letzten Frühling bevölkerten die kleinen Flatterwesen unser Segelboot der Klasse Optimist und hinderten meinen Sohn am Wassersport. Jetzt stehen schon zwei der winzigen Schiffe im Brunnenhaus bereit und warten darauf, von Kapitänen ausgeführt zu werden. Wir hatten Glück, die Vögel nisten jetzt im ersten Stock, wo mein privates Geheimbett steht, die ideale Rückzugsmöglichkeit bei all zu großem Gästeandrang.
Am morgen von flatternden Vögeln geweckt zu werden ist mir eine besondere Freude, obgleich die Geräusche während der Nestlingszeit enorm anschwellen können. Doch am Tage lasse ich das junge Glück in Ruhe, als Gegenleistung für die verschonten Optimisten.

Ein Boot paßt unten ins Auto, das andere findet auf dem Dach seinen Platz und schon geht es los zum See. So sollte er aussehen, der Himmelfahrtstag, Vater und Sohn in Regatta auf dem Haussee.
Doch was geschieht, wenn der Wind zu stark und die Segelkunst noch zu schwach ausgeprägt ist? Dann kentert einer. Der Wettkampf wurde kurz unterbrochen, die Kleidungsstücke des trocken gebliebenen gerecht geteilt und schon ging es weiter.
Wer viel kreuzt und wenig Land dabei gewinnt, der braucht seine Zeit. Wir hatten genug Zeit und erreichten am Nachmittag den sagenumwobenen Vierbrüderplatz, einen romantischen Flecken, der ehemals von vier gräflichen Brüdern mit granitenen Bänken ausgeschmückt wurde. Da dieser Platz auf der vom Turm aus abgewandten Seeseite liegt ist er ohne großen Marschaufwand nur auf dem Wasserwege erreichbar. Mein Sohn und ich genossen gerade den Aufenthalt, als es plötzlich Blitzte und energisch Donnerte. Die herabfallenden Hagelkörner in der Größe von Blaubeeren, um die an diesem Fleck übliche Frucht zum Vergleich hinzuzuziehen, übersäten den Waldboden und verwandelten die Gegend für einen Moment in eine winterliche Landschaft.

Wie sollte dieser Ausflug noch enden? Angesichts der bedrohlich hellen Blitze, die womöglich in den See treffen könnten, wollten wir unter keinen Umständen den Rückweg antreten. Alles deutete auf eine Übernachtung am Vierbrüderplatz hin, unter dem glücklicher weise vorhandenem kleinem Holzdach, mit halbierter Garderobe und einer angebrochenen Rolle Keks.
Petrus meinte es jedoch gut mit uns. Er ließ das Gewitter weiterziehen und stoppte den Niederschlag. Doch, was war das? Am Wetter schien sich überhaupt nicht mehr zu regen. Es wehte nicht das geringste Lüftchen. Da hatten wir uns auf dem Hinweg gegen die Böen gekämpft und auf einen schnellen, problemlosen Heimweg mit dem Wind gehofft, doch nun mußten wir paddeln. Wir paddelten geduldig, fast mit Vergnügen beim Gedanken an die ersparte Nacht auf dem Vierbrüderplatz, und erreichten noch vor Einbruch der Dunkelheit den Turm und die brütenden Rotschwänze.

13.5.2002

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