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letzter Beitrag vom 8.1.2010

Der neue Zug

In der vergangenen Woche nutzte ich die neue Zugverbindung, um einen alten Freund in Thüringen zu besuchen. Für gewöhnlich benutze ich seit vielen Jahren das Auto, um Entfernungen dieser Größenordnung zurückzulegen. Doch die neue Konkurrenz zur Deutschen Bahn gestattete es mir mit ihren außergewöhnlichen Preisen, die bequeme und sichere Art des Reisens auf den Schienen zu wählen. Der Connex von Rostock nach Gera kommt erstaunlicherweise mit weniger als der Hälfte des bekannten Fahrgeldes aus und schreibt dabei noch schwarze Zahlen. Seit der Wende ist es für mich das erste mal, daß der Benzinpreis über dem Fahrkartenpreis liegt.
Während der Fahrt kamen mir die seltsamsten Gedanken. Von den Gleisen aus betrachtet sieht das Land so anders aus. Man sieht die Republik von hinten und nicht immer von der besten Seite. Nach über zehnjähriger Bahnabstinenz wurde der Wandel Ostdeutschlands für mich überdeutlich sichtbar.
In meiner Erinnerung war mir bewußt, wenn der Zug über die Elbbrücke holpert, dann sieht man die Schornsteine vom Kraftwerk Vockerode. Es holperte erfreulicher weise etwas zärtlicher, doch die alten, dreckschleudernden Essen fehlten. Was der Luft zugute kommt, fehlte jedoch meinem Auge.
Als sich das preisgünstige und gesunde Gefährt, denn in allen Abteilen herrscht Rauchverbot, der großen Messestadt Leipzig näherte wurden die Veränderungen noch deutlicher. Das alte grau in grau der Fabriken wird jetzt aufgelockert durch die vielen schwarzen Löcher in den Gemäuern. Kaum eins der imposanten Fabrikgebäude beherbergt noch Maschinen oder Personal und die Fenster sind allesamt durch die Verwahrlosung im letzten Jahrzehnt zu nichts zerfallen.
Wahrscheinlich war es eine politische Entscheidung, ich sollte dieses Elend entlang der Bahnstrecken nicht zu Gesicht bekommen. Ein anderer Grund für die übermäßigen Preise der deutschen Bahn scheint mir jetzt nicht mehr erklärbar.

28.4.2002

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