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letzter Beitrag vom 8.1.2010
Haus im Schnee

Die Tücken und Freuden des Winters

Wenn ein Arbeitsloser in den Ski-Urlaub fahren will, so muss er schon etwas Risikobereitschaft aufbringen. Er kann natürlich auch beim Amt Urlaub beantragen, denn einige Tage Ortsabwesenheit stehen auch dieser, im Moment wieder anwachsenden Bevölkerungsgruppe zu. Doch handelt es sich nur um eine Kann-Bestimmung. Ich wollte mir nicht vorstellen, wie ich nach einem eventuell abgelehnten Antrag die Zeit, aus Furcht vor einer Anwesentheitskontrolle, in der heimischen Wohnung totgeschlagen hätte. Deshalb ging ich nach dem bewährten Spruch vor: "Wer viel fragt, bekommt viele Antworten."
Alles rein ins alte Auto und los. Die Frage nach dem Ziel ist keine wirkliche Frage, es geht ums Überhaupt. Das Portmonee ersetzt den Kompass und zeigte dieses Mal in das viel gewaltiger klingende Riesengebirge anstatt in die Alpen.
Wenn man den Medien trauen konnte, so sollte es auch in Rübezahls angeblich schneesicherem Reich genügend Material für Winterfreuden geben. Wie gesagt, das Risiko ist immer ein treuer Begleiter von Glücksuchern. Im Fernsehen wurden Bilder von verschneiten polnischen Dörfern gezeigt, die total von der Außenwelt abgeschnitten waren. Der hämische Nachsatz des Nachrichtensprechers über die nur mit Sommerreifen ausgerüsteten Fahrzeuge des Nachbarlandes ärgerte mich ein wenig, denn Winterreifen habe ich mir noch nie leisten können, bisher ging es immer ohne.
Von Berlin bis zur Schneekoppe ist es am kürzesten, wenn man durch Polen fährt und es ging auch eine geraume Zeit gut, bis die Straßen kleiner wurden und die Schneewehen höher.
Hin und wieder war nur eine Spur geräumt, was sich bei Gegenverkehr besonders schlecht machte und wenn der Wagen an Geschwindigkeit verlor und schließlich zum Stillstand kam, dann mussten alle Passagiere kräftig schieben. Doch reichte die Kraft unseres Teams nicht immer aus.

Trotz mutiger Lenkbewegungen landete das so treue Fahrzeug plötzlich im Straßengraben, die Schnauze tief in den Schnee gebohrt. Doch ein zufällig am gering besiedelten Straßenrand stehendes Haus gab unaufgefordert einen Menschen mit Schippe frei. Auch diese freundliche Hilfe genügte nicht, den Wagen aus der Schräglage zu befreien. Erst als ein Linienbus an seiner unweit gelegenen, regulären Haltestelle hielt, war die Erlösung nahe. Der Busfahrer griff zur Mütze und gab seinen Fahrgästen das Signal zum Kampf. In Sekundenschnelle legte eine Schar junger, kräftiger Polen mit Lachen und Johlen Hand an und hob unser Auto zurück auf die Straße.
Bis wir unseren Ski-Ort erreichten, wurde mindestens fünf Mal geschoben und nie gab es nur den Anflug von schlechter Laune. Wir waren schließlich in Freundesland.
Als wir unsere Muskeln und Lungen nach sportlichen Tagen gut aufgefrischt hatten, begleitete mich auf dem problemlosen Rückweg die Angst um das ignorierte Arbeitsamt. Ich befürchtete ein einige Tage altes Schreiben mit folgendem Inhalt im Briefkasten: "Melden Sie sich bitte bis morgen bei uns oder die Leistung wird eingestellt."
Doch der Kasten war zum Glück leer bis auf den üblichen Papiermüll.

8.1.2002
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